Er hatte Angst vor dem älter werden, weil in seinem Leben kein Platz zum Ausruhen war. Jetzt ist er mit 93 Jahren am 13.September verstorben. Rudi Gutendorf, der rastlose Weltenbummler in Sachen Fußball, der letzte noch Lebende der großen Mannschaft des Koblenzer Vorstadtvereins TuS Neuendorf.
Spieler und Trainer war er ein Leben lang. In der Bundesliga , wo er 1963 im ersten Jahr der Liga den Meidericher Spielverein zur Vizemeisterschaft führte, als Nationaltrainer in Australien, Venezuela Bolivien, Ghana, China, Togo und Ruanda, wo er die Hutus und Tutsis nach dem fürchterlichen Bürgerkrieg in den 1990 er Jahren in einer Fußballmannschaft miteinander versöhnte oder auch in Rengsdorf, Lützel, Moselweiß oder Braubach. 55 Trainerstationen rund um die Welt waren es.
Fußball gespielt hat er Lützel und in Neuendorf, da wo der Vater Rheinfischer war und Rudi als kleiner Junge mit dem Fußballspielen begann, auf dem Platz ein paar Meter vom Rhein entfernt, das Deutsche Eck mit dem Zusammenfluss von Rhein und Mosel im Blick. An seinem Strom stand er oft und lebte seine Träume von der weiten Welt aus, in der er einen besonderen Platz finden wollte. Mit Neuendorf stand er 1948 in der Endrunde um die Deutsche Meisterschaft. Rund 12.000 Zuschauer kamen in das „Stadion Rote Erde“ nach Dortmund, um zu sehen, wie Neuendorf gewann. „Unser größtes Spiel“ hat Rudi Gutendorf gesagt. Zudem war er Spielertrainer bei seinen Stationen in der Schweiz, beim FC Blue Stars Zürich und dem FC Luzern.
Trainer wurde der Neuendorfer. Gefeiert und auch schon mal gefeuert. Er hatte keine Scheu ,die ganz Großen zu trainieren. Helmut Rahn, den Weltmeister von 1954 in Meiderich, Klaus Fischer in Schalke und Kevin Keagan (und auch den Rübenacher Peter Hidien) beim HSV. In den USA traf er Pele, Beckenbauer und Puskas. Weil er den Fußball in den Staaten populär machen wollte, machte er die Torpfosten breiter und ließ sie bunt anstreichen. Aufmerksamkeit erzielen war ein Teil seiner Mission. Rudi Gutendorf war ein perfekter Selbstvermarkter und in der Welt der Medien ein genialer Netzwerker. Mit knapp 93 Jahren hat er vor einigen Wochen auf die Frage, was ihm am meisten fehle gesagt, er vermisse es, nicht mehr täglich in der Zeitung zu stehen.
Sein Sohn Fabian war das Wichtigste in seinem Leben. Er half ihm sehr, auch darüber hinweg, dass hinter dem robusten Weltenbummler ein zerbrechlicher Mensch stand, der mit zunehmendem Alter Einsamkeit verspürte, weil der Fußballrummel immer stärker ohne ihn auskommen musste. Es war ein Glück für ihn, dass er 1999 die Koblenzer Lottoelf mit begründen konnte. Er wurde ihr Trainer. 132 Spiele lang für soziale Zwecke, für behinderte und kranke Kinder und vieles andere mehr. Das andere Gesicht des Rudi Gutendorf trat zutage: helfen dürfen. Er tat es mit Horst Eckel, Wolfgang Overath , Stefan Kuntz und vielen anderen aus tiefer Überzeugung. Am Ende seines Trainerseins wurde die Lottoelf zu seiner Familie.
Zwei Dinge hat er nicht erreicht: er wäre so gerne unter Herberger Nationalspieler geworden. Und als Trainer wollte er die Mannschaft von Palästina trainieren. Um das erste Spiel gegen Israel zu machen.
Was er erleben durfte, reicht für mehr als ein Leben. Er war wie ein Vagabund des Fußballs, der ihm nachjagte, immer mit der Angst verbunden, etwas zu verpassen. Aber auch ein nachdenklicher Mensch war er, der seine Familie brauchte und Koblenz.
Bewegend und anregend war er, voller Visionen bis ins hohe Alter. Viel wird an ihn erinnern.
Text: Hans-Peter Schössler