Irgendwann kommt im Herbst jeder langjährigen Fußballer-Laufbahn fast schon unweigerlich der Zeitpunkt, da hängt einen der Alt-Herren-Nachwuchs auf dem Spielfeld ab. In den Laufduellen fällt es schwerer zu bestehen, und im Kampf um den Ball kommt der jüngere Gegenspieler häufiger den einen entscheidenden Schritt früher. Inzwischen gibt es aber eine Anschlussförderung für den Alt-Herren-Bereich, der das Lauftempo der Spieler einerlei ist. „Walking Football“, oder ins Deutsche übersetzt „Geh-Fußball“, ist die geeignete Variante für die Freunde des runden Leders, die auch im fortgeschrittenen Alter ihrer sportlichen Leidenschaft weiterhin auf dem Spielfeld nachgehen wollen.
England gilt nicht nur als die Wiege des Fußballs, auch die Variante für die Senioren hat auf der Insel ihren Ursprung. Im Jahr 2011 fand in Chesterfield das erste Walking-Football-Spiel statt. Inzwischen sind in England rund 1.000 Vereine aktiv. Der Trend ist über die Niederlande auch in Deutschland angekommen. Der Fußballverband Rheinland engagiert sich ebenfalls dafür, die vom Weltverband FIFA als eigenständige Sportart anerkannte Version voranzutreiben und den älteren Akteuren somit eine angepasste Spielform anzubieten.
Mit dem TuS Daun, dem SV Wiesbaum, dem SV Untermosel, der SG 2000 Mülheim-Kärlich, dem SV Remagen, dem Birresdorfer SC, dem FV Rübenach und den Sportfreunden Gönnersdorf sind acht Vereine aus dem FVR im Walking Football aktiv. Der SV Remagen machte im Mai 2018 mit einer Turnierteilnahme in Wolfsburg den Anfang und bestritt drei Monate später in Grafschaft-Leimersdorf auch das erste Spiel auf rheinländischem Fußballboden gegen den Birresdorfer SC.Im Norden des Verbandsgebiets befindet sich die Walking-Football-Wiege im FVR. Die Entstehung dieser Entwicklung ist eng verbunden mit Günter Fuchshofen. Seine ehemalige Schulmannschaft des Peter-Joerres-Gymnasiums Ahrweiler unternimmt traditionell einmal im Jahr einen Ausflug, um Geselligkeit mit Fußball zu verbinden. Im Jahr 2016 war die niederländische Stadt Utrecht als Ziel auserkoren. „Wir haben eine Mannschaft gesucht, gegen die wir spielen wollten, und sind auf ein Walking-Football-Team gestoßen. Wir haben Walking Football damals zwar nicht gekannt, sagten uns aber, dass wir es ausprobieren“, erklärt der heute 66-Jährige die Geburtsstunde.Anfangs sträubten sich ein paar Spieler zwar gegen das zunächst ungewohnte Spiel, bei dem es keinen Torwart gibt, immer mit mindestens einem Fuß Bodenkontakt bestehen muss und der Ball nicht höher als Hüfthöhe gespielt werden darf. „Aber beim zweiten, dritten Mal gewöhnt man sich dran“, sagt Fuchshofen. „Und schließlich hat es uns so gut gefallen, dass wir bei unserer Tour im Jahr 2017 nach Gent wieder ein Walking-Football-Spiel bestritten haben.“
Inzwischen bilden die Senioren aus Remagen, Birresdorf und dem kurz hinter der Grenze zu Nordrhein-Westfalen gelegenen Fritzdorf eine Einheit, trainieren jeden Sonntag gemeinsam und nehmen an Turnieren teil. Durch ihren Zusammenschluss haben sie immer genügend Spieler und können bei den meisten Turnieren zwei Mannschaften stellen. Als Walking FC Union geht man an den Start und trägt regelmäßig den ersten Platz davon. „Weil wir schon länger aktiv sind als viele andere Vereine, somit einen Vorsprung sowie Ehrgeiz mitbringen und gute Fußballer in unseren Reihen haben, die technisch und taktisch stark sind. Auch beim Walking Football ist deutlich zu erkennen, wer es versteht, mit dem Ball umzugehen“, wie Fuchshofen erklärt.
Eine Vorreiterrolle im Geh-Fußball in Deutschland haben vier Profi-Vereine: Bayer Leverkusen, der FC Schalke 04, der VfL Wolfsburg und Werder Bremen sind Aktivposten und Pioniere in diesem Bereich. „Die großen Vereine betreiben Walking Football leistungsorientiert. Auch wir wollen natürlich erfolgreich sein, aber uns geht es in erster Linie um das gemeinsame Spielen – und das, so lange es geht“, macht Fuchshofen deutlich. Und Walking Football „geht“ – im wahrsten Sinne des Wortes – weit über das klassische Alt-Herren-Alter hinaus. Beim FC Union ist der älteste Aktive 74 Jahre alt.
Welche Wünsche der „Geh-Fußball-Entwicklungshelfer“ aus Königswinter für die Zukunft hat? „Wir hätten im FVR natürlich gerne weitere Mannschaften, wünschen uns, dass sich auch die Frauen anschließen und dass wir das Thema Inklusion mit Walking Football verbinden.“ Ein Inklusions-Walking-Football-Turnier vom 3. bis 5. September soll dabei helfen, die Öffentlichkeit auf die noch ein Schattendasein fristende Variante aufmerksam zu machen.