Die richtige Mischung macht es. Soll heißen: Wenn die richtigen Faktoren zusammen kommen, stellt sich Erfolg ein. So auch beim Praxistest eines neuen Lehransatzes in der Trainerausbildung. „Blended Learning“ heißt diese Lehr- und Lernform, die jetzt erstmals bei einer Schulung zum Teamleiter Kinder zum Einsatz kam und bei 15 „Versuchskaninchen“ (Referent Richard Denkhaus und 14 Teilnehmer) auf große Akzeptanz und sehr positive Resonanz stieß.
Qualifizierung im ständigen Wandel
Ältere Fußballer kennen das noch: Zum Aufwärmen schickt der Trainer seine Mannen auf die Stadionrunde, mit einem Ball wird munter aufs Tor gehämmert – da kann es dauern, ehe jeder zum Schuss gekommen ist. Das hat sich in den vergangenen Jahrzehnten gewaltig geändert. Inzwischen bekommt sogar jeder Jugendspieler sein eigenes Spielgerät, und das ist bei jeder Übung mit im Spiel. Und noch etwas hat sich im Bewusstsein mehr und mehr verankert: Ohne qualifizierte Ausbildung der Trainer geht es heutzutage nicht mehr.
Diese Ausbildung hat sich auch deutlich verändert. Musste man bis in die 1990er Jahre noch die Anreise nach Koblenz in Kauf nehmen, um dort in der Sportschule einen Lehrgang zu absolvieren, so wurde Zug um Zug die Schulung dezentralisiert und in die Fußballkreise verlegt. Damit ersparte man nicht nur die langen Anfahrten, auch bezüglich der Termine konnte man flexibel auf die Teilnehmerwünsche reagieren. Zudem wurde der gesamte Ausbildungskomplex gesplittet in verschiedene Einzelmodule, sodass man jetzt schrittweise sein Ziel Trainer-Lizenz erreichen kann.
Auch in der Vermittlung von Lerninhalten wurden große Fortschritte erzielt. Die Vorzüge einer fortschreitenden Digitalisierung werden inzwischen ausgiebig genutzt. Immer stärker greift man auf Videosequenzen zurück, Visualisierung erleichtert das Lernen und eröffnet neue Möglichkeiten. So auch das Blended Learning. Im Rahmen eines DFB-Pilotprojekts hat sich der Fußballverband Rheinland bereit erklärt, diese neue Form auszuprobieren. So geschehen bei einem viertägigen Lehrgang beim Jugendförderverein Zissen.
Vermischtes Lernen hält Einzug
Wortwörtlich übersetzt heißt Blended Learning übrigens nichts anderes als vermischtes Lernen. Diese integrierte Form des Lernens kombiniert dabei die klassische Lehrform der Präsenzschulung mit dem modernen E-Learning. In den Online-Phasen wird zeit- und ortsunabhängig gelernt, Teilnehmer bestimmen ihr Lerntempo selbst. Der Lernstoff ist gut aufbereitet, Methodik/Didaktik sind sehr flexibel. Der Einsatz unterschiedlicher Medien (Bild, Video, Ton, Animation, Text) und unterschiedlicher Aufgabenstellungen (Praxisnähe, theoretischer Zugang, Spiele, Gruppenarbeiten, Einzelarbeiten) spricht unterschiedliche Lerntypen an. Der Referent ist voll integriert und daher ist eine einfache, individuelle und motivierende Betreuung der einzelnen Teilnehmenden möglich.
Die Teilnehmer in Niederzissen hatten bereits gemeinsam das Modul Basiswissen absolviert und sind in Mannschaften des Jugendfördervereins Zissen aktiv. Mit Ausnahme von Michael Hilpisch. Der hauptamtliche Mitarbeiter des Verbandes und zuständige Lehr- und Bildungsreferent wollte beim ersten Probelauf aktiv dabei sein, um seine praktischen Erfahrungen in die bundesweite Weiterentwicklung dieser Lehrform mit einzubringen.
Die Teilnehmer loben Flexibilität und intensiven Austausch
Die 14 Teilnehmer hatten im Anschluss an den Lehrgang die Möglichkeit, im Rahmen einer Reflexion ihre Meinung zu äußern. „Ich persönlich habe durch Umwandlung von Präsenzzeit in „Onlinezeit“ kein Zeit gespart, sondern eher mehr Zeit verwendet. Was für mich aber absolut in Ordnung ist. Dank der Videos, die zu erstellen waren, habe ich mich viel intensiver mit den Inhalten auseinandergesetzt. Wie gesagt, ich habe es gerne gemacht und der riesige Vorteil ist, ich kann diese Zeiten frei bestimmen.“ Damit spricht Marcus Fassbender vielen seiner Mitstreiter aus der Seele. Gelobt wurde das direkte Feedback durch die Videos, die jederzeit online abrufbaren Informationen, das hohes Maß an Flexibilität und die individuelle Bearbeitung innerhalb von Zeitfenstern, die Erweiterung des Trainerhorizontes durch den regen Austausch, die optische Eigenwahrnehmung des Auftretens vor Kindern und Jugendlichen und damit intensive Reflexion des eigenen Handelns auf dem Trainingsplatz.
Für den Referenten spielt die Selbstreflexion eine große Rolle
Die Leitung des Lehrgangs lag in den bewährten Händen von Richard Denkhaus, von Beruf Grundschullehrer und in Sinzig-Franken wohnhaft. Als Referent in mehreren Projekten und Aktionen sowie seit Jahren als Trainerausbilder für den Fußballverband Rheinland tätig, bringt der Referent für Schule und Fußball im Kreis und der Jugendkoordinator im Jugendförderverein Zissen die besten Voraussetzungen für dieses Pilotprojekt mit.
Wie wird man als Referent auf die Aufgabe vorbereitet?
Im Vorfeld gab es verschiedene Meetings an der Sportschule Kaiserau, in denen sich der FV Rheinland neben drei weiteren Verbänden zur Durchführung dieses Pilotprojekts bereit erklärt hatte. In diesem Zusammenhang haben wir die Entwickler des Blended Learning Edubreak Sportcampus kennen gelernt und gemeinsam in Arbeitsgruppen ein Konzept für einen Trainerlehrgang erarbeitet. Es gab zudem einige Online-Meetings und Treffen an der Sportschule Koblenz zwecks Lehrgangskonzeption.
Welche Voraussetzungen müssen Teilnehmer mitbringen?
Zu diesem speziellen Lehrgang sollten sich vorwiegend Technik affine Nachwuchstrainer und Betreuer von Bambini- bis E-Junioren-Mannschaften melden. Die Online-Anwendungen setzen Vorkenntnisse mit dem PC und in sozialen Medien voraus.
Was ändert sich für Referenten?
Durch das hohe Maß an Flexibilität hat der Referent nun auch die Möglichkeit, den Lehrgang von zu Hause aus zu begleiten. Dies bedeutet im Einzelnen: Betrachtung der erstellten Videos der Teilnehmer und Hilfestellungen schreiben, Online Aufgaben der Teilnehmer korrigieren und überprüfen, Hilfestellungen und Kommentare verfassen.
Welche Vorteile besitzt die Lehrform für Leiter und Teilnehmer?
Die Verantwortlichen des Verbandes sind davon überzeugt, dass sich diese Form der Ausbildung in den nächsten Jahren durchsetzen wird. Andere Fachverbände (u.a. Tischtennis) sind hier bereits deutlich weiter und wir können von ihren Erfahrungen profitieren und diese nutzen. Durch das Einsparen von Präsenszeit schaffen wir es so, mehr Teilnehmer für die Lehrgänge zu begeistern. Eine besondere Rolle spielt die Selbstreflexion. Die Absolventen nehmen sich und ihr Training selbst auf und haben so eine direkte Rückmeldung zu ihren Ansprachen, Erklärungen der Übungsformen etc. Der daraus resultierende Lerneffekt ist besonders hoch.
Was könnte man noch verbessern?
Die Arbeitsgruppen der verschiedenen Landesverbände treffen sich im Dezember zur gemeinsamen Auswertung. Wir wissen jetzt, wie man den Lehrgang optimieren kann, beispielsweise in technischer Hinsicht.
Der Vizepräsident spricht von einem Zukunftsmodell
Alois Stroh ist als Verbands-Vizepräsident für Qualifizierung zuständig. Er war bei der letzten Lehreinheit im Clubhaus des SC Niederzissen beim Kompetenznachweis – statt der sonst üblichen Klausur mussten die Teilnehmer im Tandem rund fünfminütige Videos von einer Trainingseinheit mit ihrer Jugendmannschaft erstellen – und der abschließenden Auswertung dabei. „So positive Rückmeldungen hatte ich im Traum nicht erwartet. Da frage ich mich, warum wir eigentlich noch was anderes anbieten“, meinte er ein wenig euphorisch. Besonders beeindruckt hat ihn die Stimmung in der Gruppe sowie die Art, wie das gegenseitige Korrigieren akzeptiert wurde. Aber auch die Intensität, mit der sich die Teilnehmer zwischendurch, also außerhalb der Sollzeiten, mit der Thematik beschäftigten. „Nach diesem gelungenen Start könnte ich mir gut vorstellen, dass diese Form ein Zukunftsmodell für den Fußballverband Rheinland werden könnte“, war Stroh abschließend überzeugt.
Text und Fotos: Hans-Josef Schneider