Im Finale der Champions League traf es einen der Besten: „Ich habe seit zwei Monaten Probleme, seit dem Auswärtsspiel bei Bayern München“, sagte Kevin De Bruyne von Manchester City, obwohl er bereits acht Tage zuvor im Viertelfinalhinspiel gegen den deutschen Rekordmeister vorzeitig hatte ausgewechselt werden müssen. „Ich habe deshalb eine ganze Reihe von Spielen verpasst, aber es waren alles kleine Risse.“ Doch gegen Inter nun sei „es komplett gerissen, deswegen konnte ich nicht weiterspielen“. Auch im Amateurbereich gleich sich die Schilderungen der Verletzten sich meist: „Ich hatte ein wenig muskuläre Probleme, habe aber trotzdem gespielt, dann hat es bei einem Sprint oder Ausfallschritt plötzlich heftig im hinteren Oberschenkel gezogen.“ Die Verletzungen der Oberschenkelmuskeln sind jedes Jahr wieder Spitzenreiter in der Verletzungstabelle, im Profifußball ist etwa jede vierte Verletzung dort angesiedelt.
Die Ursachen dafür sind sicherlich vielfältig, vielleicht der zunehmenden Athletik in unserem Sport geschuldet. Im Amateurbereich wären meines Erachtens einige Verletzungen aber vermeidbar, wenn alle Beteiligten etwas besser über Muskelverletzungen informiert wären. Vor allem der Zeitpunkt, um nach einer Verletzung wieder mit Fußball zu beginnen, wird nach meinem Dafürhalten häufig zu früh gewählt. So kann ein zunächst kleinerer Muskelschaden zu einer massiven Verletzung mit teilweise monatelangem Ausfall führen.
Muskelverletzungen werden zunächst unterteilt in direkte und indirekte Formen. Erstere entspricht dem Pferdekuss, einer Kontusion des Muskels mit meist nachfolgendem Bluterguss. Indirekte Muskelverletzungen, die ohne Fremdweinwirkung entstehen, untergliedern sich in funktionelle und strukturelle Muskelverletzungen. Funktionelle Muskelprobleme ergeben sich entweder durch Ermüdung (zum Beispiel Muskelkater) oder durch gestörte Steuerung des Muskeltonus durch das Nervensystem (neuromuskuläre Dysbalance) etwa infolge von Überlastung, Beckenschiefstand usw. mit der Folge von Muskelverhärtungen oder Zerrungen. Unter strukturellen Verletzungen versteht man die eigentlichen Muskelrisse in ihren unterschiedlichen Schweregraden bis hin zum kompletten Muskelabriss. Wie man aus der Unterteilung ableiten kann, ist die Behandlung und die verletzungsbedingte Ausfallzeit von der Art und dem Schweregrad abhängig.
Die Therapie von Muskelverletzungen richtet sich entsprechend nach der Art der Verletzung. Bei akuten Fällen mit dem Risiko von strukturellen Muskelschäden sollte die Behandlung nach dem PECH Schema so schnell wie möglich begonnen werden – mit dem Ziel einer Verringerung der Einblutung. Es gilt: Je größer der Bluterguss ist, desto länger dauert anschließend die Heilung, zudem besteht höheres Risiko für Narbenbildung und Verkalkungen. Hier zählt jede Minute!
Im weiteren Verlauf ist eine adäquate Diagnose von großer Bedeutung, um das weitere Vorgehen richtig zu organisieren. Ein gutes Netzwerk mit Physiotherapeuten und sportaffinen Ärzten ist hier von großem Vorteil. Ob dann neben der körperlichen Untersuchung auch ein Ultraschall und/oder ein MRT erforderlich wird, hängt vom individuellen Befund ab. Die weiteren Behandlungsschritte ergeben sich dann aus der Diagnose. Wir alle wissen, dass ein Muskelkater schnell vergeht, nach einem Pferdekuss kann man meist nach einer Woche zurück zum Sport, ein Muskelabriss bedeutet mehrere Wochen Pause.
In jedem Fall ist Schmerz kein guter Ratgeber. Die zu Beginn zum Teil sehr starken Schmerzen bei dieser Art von Verletzungen lassen meist relativ schnell wieder nach, was häufig von den Sportlern in fataler Art und Weise fehlgedeutet wird. Das Training wird wieder aufgenommen oder gar schnell in den Spielbetrieb zurückgekehrt, die verletzten Strukturen sind oft noch nicht wieder belastbar. Eine neue, meist schlimmere Wiederverletzung ist die Folge.
Dr. Andreas Stühn, Mitglied der FVR-Kommission Fußball und Gesundheit
Ausfallzeiten nach Muskelverletzungen unter optimalen Bedingungen nach Müller-Wohlfahrt et al, sowie Ekstrand: