Eine besondere Partnerschaft erlebt im August 2022 ihren 30. Geburtstag: die des Fußballverbandes Rheinland mit dem ungarischen Komitat Komárom-Esztergom. 1989 hatte der Landessportbund Rheinland-Pfalz eine Sportpartnerschaft mit dem Komitat begonnen. Der Fußballverband mit seinem damaligen Vorsitzenden Toni Kahl an der Spitze folgte Mitte 1992 nach. Nach Toni Kahl waren es die Präsidenten des Verbandes Dr. Theo Zwanziger, Walter Desch und seit diesem Jahr Gregor Eibes, die dieser Partnerschaft ihren Stempel aufdrückten. Der rheinland-pfälzische Sport wollte mit dem ehemaligen Osten des europäischen Kontinents ein Zeichen geben, auch als Dank an Ungarn, das mit der Grenzöffnung für die Flüchtlinge aus der DDR ein einzigartiges Beispiel auf dem Weg der deutschen Vereinigung gesetzt hatte.
Aber Ungarn lag auch nahe, weil es 1954 gegeben hatte – den WM-Sieg der Deutschen über die für unschlagbar gehaltenen Ungarn. Fünf deutsche Spieler von damals waren aus Kaiserslautern gekommen. Und zwei auf ungarischer Seite aus dem Komitat Komárom-Esztergom. Torwart Gyula Grosics, der 1926 in Dorog geboren wurde, einer kleinen Bergarbeiterstadt im Komitat, und Rechtsverteidiger Jenö Buzanszky, der fast sein ganzes Leben in Dorog verbracht hatte, bevor er im Januar 2015 als der letzte noch lebende ungarische Spieler verstarb. Buzanszky war der wichtigste Freund dieser Partnerschaft auf ungarischer Seite. Bei fast allen Begegnungen war er dabei. In der Sportschule des Fußballverbandes in Koblenz war er wie zu Hause. Er liebte Deutschland, er war der engste ungarische Freund für Fritz und Ottmar Walter sowie für Horst Eckel. In seiner Einfachheit war er der liebenswerteste Botschafter Ungarns. Und auch bei den vielen Begegnungen von Vereinen aus dem Fußballverband Rheinland in Ungarn war Jenö Buzanszky immer dabei. Er war ein Sinnbild dafür, dass Fußball etwas Weltumspannendes sein kann und dass in ihm eine unfassbare Kraft für Völkerverständigung und Frieden stecken kann.
In den 30 Jahren der Partnerschaft des Fußballverbandes mit dem Komitat – eine Idee, die nach Toni Kahl auch von seinen Nachfolgern Dr. Theo Zwanziger und Walter Desch getragen und gefördert wurde – hat der Verband enorm dazu beigetragen, dass sich aus vielen Begegnungen vielfältige Freundschaften entwickelt haben. Komárom-Esztergom am Donauknie mit seinen 300.000 Einwohnern und Tatabanya mit 66.000 Einwohnern als größter Stadt ist viel näher an den Rhein und die Mosel gerückt. Dazu haben die Treffen vor allem von jungen Menschen beigetragen.
Im August 2022 wurde nun das Jubiläum der Partnerschaft gefeiert. Mit Besuchen in Koblenz und auch an der Ahr, wo den ungarischen Freunden die Lage nach der Flutkatastrophe von 2021 gezeigt wurde. In Hatzenport an der Mosel gab es am 27. August eine kleine Festveranstaltung. Dort waren mit Fritz und Ottmar Walter, Werner Liebrich und Horst Eckel die deutschen Weltmeister von 1954 und ihre ungarischen Gegner Ferenc Puskás, Nándor Hidegkuti, Gyula Grosics, Zoltán Czibor und Jenö Buzanszky mehrfach zusammengetroffen. Jetzt war eine sechsköpfige ungarische Delegation im Rheinland zu Gast, darunter der Präsident und der Direktor des Fußballverbandes Komárom-Esztergom, Dr. Csaba Kancz und Laszlo Khener. FVR-Präsident Gregor Eibes würdigte die Partnerschaft und machte deutlich, dass der Fußball ganz sicher zur deutsch-ungarischen Freundschaft beigetragen habe. „Die verbindende Kraft des Sportes, des Fußballs ganz besonders, ist unverzichtbar für das Zusammenleben der Menschen in Europa“, meinte er. Er würdigte vor allem das Engagement seiner Vorgänger im Amt des FVR-Präsidenten, die nie einen Zweifel am Wert dieser Partnerschaft aufkommen ließen. Auch Walter Desch machte deutlich, dass die Begegnungen mit Ungarn Gräben zugeschüttet hätten. Desch nannte Eduard Schneider, Matthias Weber, Norbert Weise, Armin Bertsch, Bernd Münchgesang und Heinz Fink als besondere Verfechter im Fußballverband dieser nun 30-jährigen Partnerschaft. Auch die Präsidentin des Sportbundes Rheinland, Monika Sauer, würdigte in Hatzenport das Engagement des Fußballverbandes für die Völkerverständigung als beispielhaft.
Es mag sein, dass die Zeit über Partnerschaften dieser Art ein wenig hinweggegangen ist. Dass man sich mit dem Bus besucht, in Jugendherbergen und Sportschulen logiert, vielleicht hat es den Anschein davon, überholt zu sein. In Wirklichkeit ersetzt nichts die Begegnung von Menschen. Und sich in die Augen schauen und miteinander reden ist durch keine noch so moderne Technik auch nur annähernd ersetzbar. Was der Fußballverband vor 30 Jahren begann, darf auch heute nichts von romantischer Vergangenheit an sich haben. Es muss weiter zum Wesen des Sports gehören, die Menschen einander näherzubringen. So sieht es auch Csaba Kancz, seit elf Jahren Präsident des Fußballverbandes in Komárom-Esztergom. Er hofft auf weitere gemeinsame Jahre, mit neuen Ideen und dem Willen, die deutsch-ungarische Kooperation fortzuführen.
Hans-Peter Schössler