Auch wenn der Spielbetrieb lange Zeit ruhte: Es bewegt sich was im Fußballverband Rheinland. Seit Ende des Jahres 2019 ist die damals neu gegründete Kommission Verbandsentwicklung tätig – und bringt seither im Hintergrund Ideen, Gedanken und Anregungen zu verschiedenen Themenfeldern voran. „Aufgabe der Kommission Verbandsentwicklung sollte es sein, die im Verbandsgebiet anstehenden Entwicklungen zu analysieren, Anregungen zur Weiterentwicklung des Fußballs im Verbandsgebiet zu sammeln, zu systematisieren und zu priorisieren und daraus Entwicklungen des Verbandes, der Kreise und der Vereine anzuregen und ggf. zu begleiten“, sagt der Leiter der Kommission, Prof. Dr. Lutz Thieme.
So bat die Kommission zunächst alle Kommissionen, Ausschüsse und Kreise des FVR um Hinweise, welche Themen im Prozess der Verbandsentwicklung zu bearbeiten wären. Die mehr als 650 Rückmeldungen aus dem gesamten Verband wurden in den folgenden Handlungsfeldern zusammengefasst:
- Ehrenamt
- Finanzen
- Hauptamt
- Infrastruktur
- Kommunikation
- Kreisreform
- Organisation
- Qualifizierung
- Schiedsrichter
- Soziales
- Spielbetrieb
- Strategie
- Talentförderung
- Vereinsentwicklung
Parallel dazu erfolgte eine genaue Analyse der Entwicklung der Mannschaftszahlen, der Spielberechtigungen, des Einstiegsalters in den Fußball, der demografischen Entwicklung sowie eine Prognose der Entwicklung der Mannschaftszahlen im Nachwuchs- und Seniorenbereich. Die Handlungsfelder wurden priorisiert, da nicht alle Aufgaben und Anregungen gleichzeitig bearbeitet werden können. Daraus ergab sich eine Konzentration auf die Themenbereiche Spielbetrieb und Strategie.
Allein für das Thema Spielbetrieb wurden drei AGs ins Leben gerufen: Schleswig-Holstein-Modell, Spielklassenstruktur und Zweite Säule. In der erstgenannten AG wurde zunächst die Frage erörtert: Ist das Schleswig-Holstein-Modell – das besagt, dass Kreisgrenzen für die Staffeleinteilung nicht bindend sind – auch für den FVR geeignet? Mit Bezug auf Saison 2020/21 nahm man die B-Klassen als Beispiel, weil es dort die größte Anzahl an Teams gibt, anschließend wurde mittels einer speziellen Software eine neue Staffeleinteilung errechnet. Die Ergebnisse wurden intensiv geprüft. „Die zwölf Mitglieder der AG waren einstimmig der Meinung, dass das Modell auch im Rheinland gut anwendbar wäre“, sagt FVR-Vizepräsident Udo Blaeser, der diese AG leitete – ebenso übrigens wie die AG Spielklassenstruktur, die sich aus der ersten AG heraus entwickelte.
„Wir suchen, beschreiben und prüfen künftige mögliche alternative Spielklassenmodelle“, berichtet Blaeser. Die AG wird den Gremien wie Präsidium und Beirat schließlich neue Möglichkeiten präsentieren, deren Umsetzung nach dem Verbandstag 2022 erfolgen könnte – das alles übrigens völlig unabhängig von einer möglichen Kreisreform.
Die Modelle hängen von verschiedenen Parametern ab, unter anderem vom Verhältnis Anzahl Staffeln obere zu untere Ebene. Ein Beispiel: Es gibt eine Rheinlandliga und drei Bezirksligen, also ist das Verhältnis eins zu drei. Es gibt drei Bezirksligen und neun A-Klassen, also ist auch hier das Verhältnis eins zu drei. „Wenn das Verhältnis eins zu drei ist, ist man allerdings eingeschränkt in den Möglichkeiten, Auf- und Abstieg zu regeln. Leichter und beweglicher wird man bei einem Verhältnis von eins zu maximal zwei“, meint Blaeser.
So oder so: Entschieden ist noch nichts, das werden die Vereine erst im Rahmen des Verbandstags 2022 übernehmen. „Gerade vor dem Hintergrund, dass der Spielbetrieb attraktiver und spannender werden soll, ist die Bereitschaft des Verbandes gegeben, etwas zu verändern – wenn es denn gewünscht wird“, sagt Blaeser. „Wichtig ist, dass wir die Vereine jetzt mitnehmen.“ Und das ist der Fall: In bisher sieben Videokonferenzen ging der FVR in den Dialog mit den Vereinen, und aus diesen Veranstaltungen entstand ein Meinungsbild, welche Aspekte den Vereinen wichtig und welche weniger wichtig sind. Ein weiterer Austausch wird folgen.
Unter dem Begriff „Zweite Säule“ treibt die Kommission die Angebotsentwicklung für Fußballerinnen und Fußballer voran, die zwar Vereinsmitglieder sind, jedoch am Ligabetrieb nicht (mehr) teilnehmen können oder wollen. Diese sollen durch Angebote außerhalb des Ligabetriebs dem organisierten Fußball erhalten bleiben. Als erste Maßnahme werden hier die Fußballkreise ermutigt und unterstützt, Angebote nach dem Vorbild der „Stand-by-Liga“ im Kreis Hunsrück/Mosel zu etablieren. Die Kernpunkte dieser neuen Spielform:
- 7er-Mannschaften, ggf. gemischt Damen und Herren, altersklassenübergreifend vom ältesten Jugendjahrgang bis zu den Alten Herren
- Spielzeit: 30 Minuten ohne Halbzeitpause
- Kein Abseits
- Fliegender Wechsel während Spielunterbrechungen
- Spiele außerhalb des Rahmenspielplans in Turnierform über Vorrunde/Endrunde bis hin zur Ermittlung eines Kreismeisters
„Natürlich haben wir uns in der AG auch über die Risiken der Einführung einer Stand-by-Liga Gedanken gemacht“, sagt FVR-Vizepräsident Gregor Eibes, Leiter der AG „Zweite Säule“. „Ein Problem könnte sein, dass bislang am Punktspielbetrieb teilnehmende Aktive sich sozusagen aus Bequemlichkeit lieber dem Freizeitspielbetrieb anschließen und damit Mannschaften geschwächt werden könnten. Ganz ausschließen kann man das natürlich nie, aber wir sind der Auffassung, dass die Chance, nicht mehr aktive Spieler*innen vom Sofa zu holen, ungleich größer ist.“
Hier also möchte der FVR ansetzen, ohne weitreichende formale Vorgaben, mit Turnieren in der schönen Jahreszeit mit Eventcharakter für die ganze Familie – Fußball rein aus Spaß an der Freude und trotzdem mit einem gewissen sportlichen Anreiz. Das Ergebnis könnte dann sogar sein, dass der eine oder andere wieder den sportlichen Ehrgeiz entwickelt, um an der Punktspielrunde teilzunehmen.
„Da aktuell einige für die Strategie der Landesverbände bedeutsame Entwicklungen innerhalb des DFB erfolgen und die Ergebnisse zur Weiterentwicklung des Spielbetriebs ebenfalls Auswirkungen auf die künftige Strategie des FVR haben, wird die Kommission Verbandsentwicklung die Arbeit im Themenbereich Strategie gegen Jahresende wieder forcieren“, sagt Prof. Thieme.
Neben den vielfältigen Aktivitäten im Bereich Spielbetrieb hat – auf Initiative der Kommission Verbandsentwicklung – die Kommission Talentförderung ihre Arbeit auf der Grundlage der gesammelten Themen aufgenommen. Ebenso konnten die im Handlungsfeld Qualifizierung identifizierten Probleme und Anregungen in die Arbeit der Kommission Lehrstab einfließen und wurden von dieser bereits zur Hälfte abgearbeitet. Vergleichbares gilt auch für den Themenbereich Schiedsrichter und Soziales. Hier wird in ständigem Austausch mit den zuständigen Kommissionen diskutiert, wie die gesammelten Themen bearbeitet werden können. Ergänzt werden diese systematischen Verankerungen der Veränderungsprozesse in der Arbeit des FVR durch Sofortmaßnahmen im Bereich Kommunikation und Vereinsentwicklung.
Es sei nochmal daran erinnert: Insgesamt 14 Handlungsfelder wurden herausfiltert, die es zu bearbeiten gilt. Mit viel Engagement, mit neuen Ideen und durchaus kontroversen Diskussionen. Denn strategisch soll sich der FVR noch stärker als ein moderner, innovativer Sportverband mit der Kernkompetenz Fußball verstehen – und entsprechend handeln.