Fußball ist die beliebteste Sportart in Deutschland – besonders bei Kindern. Mehr als zwei Millionen Kinder und Jugendliche sind Mitglied in einem Fußballverein. Damit sie unbekümmert ihrer großen Leidenschaft nachgehen können, hat der DFB 2015 einen Handlungsleitfaden zum Thema „Kinderschutz im Verein“ veröffentlicht. Darüber hinaus spielt der Schutz der Jüngsten auch im Fußballverband Rheinland eine große Rolle, wie FVR-Vizepräsident Dieter Kerschsieper im Interview darlegt.
Herr Kerschsieper, vorab einmal ganz allgemein: Warum ist Kinderschutz im Sport und Vereinen so immens wichtig?
Kerschsieper: Die aktuellen Medienberichte zu Kindesmissbräuchen und die Vielzahl von Durchsuchungen wegen Kinderpornografie und sexuellem Missbrauch, nicht nur in den Kirchen, sondern auch bei bekannten Politikern und Sportlern, machen diese durchaus realen Gefahren für Kinder sehr deutlich. Man sieht es keinem Menschen an, dass er Kinder sexuell missbraucht oder Kinderpornografie konsumiert. Oft führen Täter oder Täterin ein normales Familienleben mit Beziehung zu einem erwachsenen Partner und haben möglicherweise sogar eigene Kinder. Ganz gezielt und bewusst übernehmen diese Personen Aufgaben, die die Möglichkeit zur unauffälligen Nähe zu Kindern offenbaren und die sie hierbei sogar noch tarnen und schützen. So bieten sich natürlich auch Tätigkeiten als Betreuer oder Trainer von Kinder- und Jugendmannschaften für diesen Personenkreis nahezu an. Um ihre Ziele zu erreichen, gehen sie sehr geschickt auf kindliche Denkweisen und Erwartungen ein. Fest installierte Ansprechpartner in Vereinen und Verbänden sind ein wichtiger Baustein für den Kinderschutz. Im Falle eines möglichen Verdachts wird über einen kleinen und klar bestimmten Personenkreis, im Verein mit Unterstützung des Verbandes, eine sachliche Prüfung veranlasst.
Inwiefern sind Trainer zu sensibilisieren, dass sie nicht unbedacht handeln und in Verdacht geraten könnten?
Kerschsieper: Eine durchaus gewünschte, vertrauensvolle Nähe der Betreuer und Trainer zu ihren Kindern ist für eine Mannschaft ein wesentlicher Faktor des Zusammenhalts. Allerdings ergeben sich für potenzielle Täterinnen und Täter im Rahmen dieser üblichen und normalen Abläufe durchaus attraktive Faktoren, um ihre Ziele zu erreichen. Das können Umzieh- und Duschsituationen, notwendiger Körperkontakt, spezielle Rituale, Umarmungen, erforderliche Behandlungen bei Verletzungen, Besonderheiten wie Trainingslager und Fahrten mit Übernachtungen sein. Um keinerlei Missverständnisse entstehen zu lassen, möchte ich jedoch noch einmal deutlich darauf hinweisen: Wir wollen und werden natürlich keinen Generalverdacht für unsere tollen Betreuer und Trainer aussprechen. Ich glaube allerdings, dass sich die gesellschaftliche Wahrnehmung des Themas heutzutage deutlich verändert hat und insbesondere auch die Eltern sensibler reagieren.
Können Sie Beispiele für kritische Situationen nennen?
Kerschsieper: Auf keinen Fall sollte ein Trainer gemeinsam mit den Kindern duschen. Selbst eine erforderliche und gedankenlose Handynutzung in der Kabine oder Dusche ist mindestens zu überdenken. Kinder erzählen ihren Eltern unbefangen und ohne Hintergedanken: „Immer wenn der Trainer in die Kabine kommt, hat er sein Handy in der Hand!“ Auch im Hinblick auf gutgemeinte Hygienemaßnahmen sollte man Kinder nicht zum Entkleiden und Duschen zwingen. Wenn Kinder in Badehose duschen möchten oder dies auch gänzlich ablehnen, so ist dies ohne jeden Kommentar zu respektieren. Zudem stellt sich die Frage: Muss ein Trainer beim Umkleiden immer in der Kabine anwesend sein? Könnten dies nicht auch Eltern übernehmen? Wir möchten im Hinblick auf dieses Thema eindringlich sensibilisieren und ganz klar darauf hinweisen, dass das Schamgefühl der Kinder und Jugendlichen zu respektieren ist.
Was unternimmt der FVR im Bereich Kinderschutz?
Kerschsieper: Wenn es um die Sicherheit von Kindern geht, muss jedes noch so kleine Warnsignal gehört und beachtet werden. Politik und Gesellschaft haben den Schutz von Kindern vor sexuellem Missbrauch und kommerzieller sexueller Ausbeutung zu gewährleisten. Verbände und Vereine nehmen hier eine wichtige Rolle ein und tragen eine große Verantwortung, präventiv tätig zu sein, Missbrauch an Kindern und Jugendlichen zu verhindern und schlimmstenfalls mitaufzuklären. Wir als FVR empfehlen unseren Vereinen, im Verdachtsfall den Kontakt zum Ansprechpartner oder zum Kinderschutz zu suchen. Hier sollte sich die Vereinsführung vor einer möglichen Datenweitergabe oder dem Vereinsausschluss unter anderem auch mit den juristischen Verantwortlichen der zuständigen Verbände absprechen. Die Beachtung von datenschutzrechtlichen- und vereinsrechtlichen Bestimmungen erfordert fachliche Unterstützung, die durch den Fußballverband gewährleistet wird. Im FVR haben wir durch die Kampagne „Kein Freispiel“ einen bestimmten Personenkreis zum Thema als Ansprechpartner bekanntgemacht, dazu zählen auch die zuständigen Kinderschutzdienste. Durch Flyer, Plakate und im Rahmen der Aus- und Fortbildung der Betreuer, Trainer und Vereinsmanager werden die Vereine sensibilisiert und informiert. Ein recht ausführlicher Bericht zu Täterstrategien und passenden Präventionsmaßnahmen ist auf der Homepage des FVR eingestellt. Zudem ist die Präventionsmaßnahme www.keinfreispiel-fvr.de auf der Homepage einsehbar.
Nun hat Ende Februar ein vom FVR initiierter Austausch mit vielen Fachleuten zum Thema Kinderschutz stattgefunden. Welche Punkte standen auf dem Programm?
Kerschsieper: Die derzeit schon vorhandenen und wirksamen Hinweise des Landessportbundes Rheinland-Pfalz und des FVR zum Kinderschutz und Schutz vor sexueller Gewalt sind bereits fester Bestandteil der bisherigen Präventionsarbeit. Um unsere präventiven Aufgaben bestmöglich durchzuführen, benötigen wir ein gutes Netzwerk von Hilfseinrichtungen und Fachleuten. Gemeinsam mit dem LSB, dem Landesjugendamt, dem Kinderschutzdienst Koblenz, der Beratungsstelle der Polizei Koblenz und der dort zuständigen Opferschutzbeauftragten sowie dem DFB wurden im Rahmen dieses Austauschs weitere wirksame Möglichkeiten zielgerichteter Interventionen im Bedarfsfall abgesprochen. Die hier entstandene, wichtige Netzwerkstruktur kann im Bedarfsfall immer genutzt werden. Initiiert wurde diese Maßnahme durch die Kommission für sozialpolitische Aufgaben, wobei das Präsidium des FVR diese Veranstaltung ausdrücklich begrüßte.
Welche möglichen Maßnahmen kamen zur Sprache?
Kerschsieper: Die Schilderungen von nachhaltigen Opferbefindlichkeiten durch den Kinderschutzdienst und der Opferschutzbeauftragten der Polizei machten sehr betroffen. Hier ging es einmal nicht um die Täter, sondern um die Opfer. Letztlich befürworteten die Teilnehmer eines der wirksamen Werkzeuge für den Kinderschutz: die Vorlagepflicht eines erweiterten Führungszeugnisses für den Personenkreis, der mit Kindern und Jugendlichen arbeitet. Diese Vorlagepflicht bekundet keinen Generalverdacht und sollte von jedem Verein in Selbstverantwortung übernommen werden. Ein Vertreter des Landesamtes für Soziales, Jugend und Versorgung erläuterte die Rahmenvereinbarungen und Beitrittserklärung nach § 72a Sozialgesetzbuch VIII. Inhaltlich ist hier der klare Tätigkeitsausschluss einschlägig vorbestrafter Personen angeführt. Wichtig für unsere Kreise und Vereine ist, dass wir als Fußballverband Rheinland mit all unseren Kreisen einen Vertrag zur Beitrittserklärung zu dieser rheinland-pfälzischen Rahmenvereinbarung nach § 72a SGB VIII bereits im Jahr 2014 unterzeichnet haben.
Wie war die Resonanz während und nach der Veranstaltung?
Kerschsieper: Die Veranstaltung wurde sehr gut angenommen, und es kam zu zahlreichen positiven Rückmeldungen der Teilnehmer. Allerdings möchte ich keinesfalls einen berechtigten, kritischen Hinweis von einer Vielzahl von ehrenamtlichen Mitarbeitern nicht vergessen. Viele unserer interessierten Ehrenamtler konnten an der Veranstaltung nicht teilnehmen, da sie beruflich eingebunden waren. Aus diesem Grund wird diese Veranstaltung in etwas reduzierter Form am kommenden Wochenende nochmals angeboten werden.
Wenn es zu einem Verdachtsfall in einem Verein kommen sollte, wie sollte sich der Verein verhalten? Wer ist im Fußballverband Rheinland erster Ansprechpartner?
Kerschsieper: Zunächst einmal: Im Verdachtsfall muss der informierte Personenkreis klein gehalten werden. Es gilt, keine voreiligen eigenen Maßnahmen wie beispielsweise Vereinsausschluss oder Befragungen durchführen. Zwar sollte unbedingt zeitnah reagiert werden, jedoch unter zwingender Einbindung und Rücksprache mit dem Ansprechpartner des Fußballverbandes Rheinland – das bin aktuell ich. Die anstehenden Interventionsmaßnahmen werden in der Einzelfallprüfung mit Rechtswart Norbert Weise abgesprochen und möglicherweise an externe Fachleute weitergeleitet. Wir als Fußballverband sind uns der Verantwortung für den Schutz der Kinder durchaus bewusst. Wir beim FVR sind sensibilisiert und bieten mit unseren sehr gut ausgebildeten Betreuern und Trainern ein sicheres, kindgerechtes Fußballspielen an. Die Kinder dürfen und sollen darauf vertrauen, dass sie in den Vereinen beschützt werden und mit Freude zum Training und Spiel kommen.
Ansprechpartner beim Fußballverband Rheinland
Die Aufgabe des zertifizierten Ansprechpartners zum Thema ist derzeit Vizepräsident Dieter Kerschsieper angesiedelt. Eine ständige Erreichbarkeit ist unter E-Mail dkersch@web.de und der Mobilrufnummer: 0157/554 885 42 gegeben.