Horbach. Welcher Schüler kann die Frage „Welchen Beruf möchtest du später mal ausüben?“ bereits in der Mittelstufe mit einem feststehenden Berufsbild beantworten? „Kaum einer der Jugendlichen“, sagt der ehemalige Horbacher Abwehrspieler Philipp Hermen. Das sei auch gar nicht schlimm. Woher soll das auch kommen, nachdem die Auswahl an Berufen und Weiterbildungsmöglichkeiten in den letzten Jahren so arg angestiegen ist? Entsprechend fällt es den Teenagern schwer, diese wichtige Entscheidung, den für sich passenden Berufsweg einzuschlagen, in ihrem Leben zu treffen. Mit seinem Buch „Mut zur Berufsausbildung“ möchte der leidenschaftliche Fußballer aufzeigen, dass man in einer Berufsausbildung viele verschiedene Alltagskompetenzen erlernen kann, die auch im privaten und beruflichen Leben später eine wichtige Rolle spielen werden.
Vor ziemlich genau neun Jahren stand Hermen völlig orientierungslos mit einem unterdurchschnittlichen Zeugnis der Mittleren Reife vor der Entscheidung: “Was jetzt?“ Im Dschungel aller Möglichkeiten fiel ihm die Entscheidung sehr schwer. Genauso geht es derweil weit über 80 % aller Schüler, die Jahr für Jahr auf das Ende ihrer Regelschulzeit zusteuern.
Heute möchte der Mann aus dem Buchenfinkenland im Westerwald junge Menschen ermutigen, sich wieder intensiver mit einer Berufsausbildung zu befassen und die Vorteile einer solchen für das Berufs- und Arbeitsleben in den Vordergrund stellen. Warum der 28-Jährige trotz eines zeitintensiven Jobs so viel Leidenschaft in sein Herzensthema steckt, begründet er wie folgt: „Damals hätte ich mir diese Erfahrungen und Impulse auf Augenhöhe gewünscht. Leider habe ich diese nicht bekommen.“
Philipp Hermen erlernte im Anschluss an seinen Realschulabschluss einen Beruf, eignete sich hierbei wichtige Kompetenzen an und sammelte erste Erfahrungen, die ihn motivierten, mit völliger Überzeugung zur Schule zurückzukehren. Über den Weg der Berufsfachschule, einem Bachelorstudium, gefolgt von beruflichen Stationen bei einem deutschen Sportwagenhersteller im In- und Ausland bis hin zum Masterabschluss war die Berufsausbildung der Initiator für nahezu alles in seinem Leben. Heute arbeitet er erfolgreich im Volkswagenkonzern.
„Damals hat wirklich niemand an mich geglaubt“, so Hermen. Mit schlechten Noten war er bei den Lehrern unten durch, seine Hausaufgaben erledigte er meist nicht oder schrieb sie von seinen Klassenkameraden ab. Selbst seine Mutter hatte ihn schon fast aufgegeben.
Was den gebürtigen Horbacher bei seinem Herzensanliegen am meisten stört, sind die Bedenken junger Menschen oder derer Eltern, die ihm in Gesprächen immer wieder begegnen: Ein Studium sei erstklassig und eine Berufsausbildung lediglich der trübe Kaffeesatz. Hermens Weg zeigt, dass eine Berufsausbildung eine echte Abkürzung im Leben sein kann. Den erfolgreichen Unternehmen, die er kennenlernen durfte, waren Noten und Zertifikate nicht wichtig. Immer wieder konnte er sich dank bestimmter Erfahrungen und Alltagskompetenzen, wie zum Beispiel dem Umgang mit Stresssituationen in Vorstellungsgesprächen, gegenüber Mitbewerbern behaupten, die die „Abkürzung Berufsausbildung“ ausgelassen hatten.
Sein Buch „Mut zur Berufsausbildung“ ist vor kurzem erschienen. Hier zeigt er auf eine sehr inspirierende und authentische Art, dass man als „Vollchaot“, wie er sich selbst zurückblickend beschreibt, dank einer Berufsausbildung dennoch seinen beruflichen und persönlichen Weg gehen kann. Marvin Conradi