Der FVR: Wie alles begann
Als Startschuss des FV Rheinland muss der 11. Juni 1949 gesehen werden. Doch nur dieses nackte Datum zu nennen, würde diesem Ereignis nicht gerecht werden. Fußball wurde schon vorher gespielt. Im Rheinland nach dem Krieg wieder seit Sommer 1945. Genauer gesagt: Im Westerwald rollte das runde Leder recht früh wieder an, am Rhein dauerte es ein wenig länger – hier hatten zunächst die Amerikaner das Sagen. Am 05. Juli zogen diese jedoch ab und überließen den Franzosen den Landstrich zwischen Rhein und Mosel. Doch vorerst blieb es bei Freundschaftsspielen. Aushängeschild war TuS Neuendorf um Nationalspieler Josef Gauchel. Die TuS reiste durch das Land und sorgte somit für Abwechslung bei der leidgeprüften Bevölkerung.
Punktspiele aber gab es noch nicht. Auch, weil keine übergeordnete Organisation vorhanden war. Allerdings hatte das Land damals noch andere Probleme. Dies ändere sich ansatzweise erst am 11. November 1945. An diesem Tag wurde im Central-Restaurant in der Firmungsstraße der Sportverband Rheinland gegründet. Engelbert Frauencron (Bad Ems) und Georg Staudt (Neuendorf) gelten hier als Geburtshelfer, die beiden hatten im Vorfeld alles Organisatorische geregelt, damit der erste Sportverband ins Leben gerufen werden konnte. Frauencron wurde letztlich auch der Erste Vorsitzende. Zwar hatten die „Macher“ bereits zu diesem Zeitpunkt einen eigenen Fußballverband im Sinn, doch die französische Militärregierung war noch nicht bereit, dafür eine Genehmigung zu erteilen. Und trotzdem war diese Verbandsgründung der erste Schritt in einen geordneten Spielbetrieb.
Vier Wochen später starteten die ersten Punktspiele. Das runde Leder rollte wieder in den Bezirken Westerwald, Rhein-Ost, Rhein-West, Nahe und Trier. Die Anzahl der Bezirke war der Infrastruktur im Land geschuldet. Rhein, Mosel, Lahn und Nahe blieben zunächst die „natürlichen“ Grenzen, da nutzbare Brücken Seltenheitswert hatten. So dauerte die erste Nachkriegsspielzeit acht Monate, und am Schluss stand der SV (SpVgg) Andernach als erster Titelträger fest. Aber es blieb vieles ein Provisorium, auch in den folgenden Jahren, selbst als sich 1949 abzeichnete, dass die Fußballer endlich „selbstständig“ werden wollten. Bis dahin war die beliebteste Sportart nur eine Unterabteilung des großen Sportverbandes gewesen.
Doch dies änderte sich an jenem 11. Juni 1949. Dr. Hans Menningen, Landgerichtsrat aus Engers, setzte sich in einer Kampfabstimmung mit 215 Stimmen gegen seinen Kontrahenten Böhmer (112) durch. Sportlich hatte zu diesem Zeitpunkt bereits die TuS Neuendorf erste Ausrufezeichen gesetzt und war 1948 sogar bis ins Halbfinale um die Deutsche Meisterschaft vorgedrungen. Ein Erfolg, der bis heute unter dem Dach des FV Rheinland von keinem Klub mehr wiederholt werden konnte. Nach der Gründung des FVR folgte relativ schnell eine Neuorganisation des Spielbetriebs. Die bisherigen neun Bezirke wurden auf vier reduziert. Zwar gehörte bei der Gründung mit dem Bereich Nahe noch ein fünfter Bezirk zum Verbandsgebiet, doch zum Saisonstart im Spätsommer hatten sich die meisten der dort beheimateten Klubs dem Südwestdeutschen Fußballverband zugewandt. Aber zu diesem Zeitpunkt war wohl auch den meisten Insidern klar, dass in den ersten Jahren vieles im Verband nur Stückwerk bleiben sollte. Es dauerte noch rund zwei Spielzeiten, ehe ein stabiles Ligen-System installiert war. Gesellschaftlich ging der Verband aber bereits vier Monate später neue Wege. So gründete der spätere Verbandsvorsitzende Anton Martini im Oktober 1949 die soziale Sporthilfe des Fußballverbandes.
Doch zurück in den Juni. Bereits acht Tage nach der Gründung stand die erste Vorstandssitzung im Hotel Hohenstaufen in Koblenz auf dem Programm. Hierbei ging es zunächst um ganz simple Dinge wie Ort und Besetzung der Geschäftsstelle. Selbige war in das Hochhaus am Bahnhof gelegt worden. Insgesamt sechs Personen sollte die Mitarbeiteranzahl umfassen, allerdings allesamt nur Teilzeitkräfte. Nach und nach normalisierte sich das Leben. Am 1. August war der FVR dann auch geschäftlich selbstständig geworden. In der Außendarstellung konnten ebenfalls neue Wege beschritten werden. Bisher gab es Fußballnachrichten des Sportverbandes nur im Mitteilungsblatt des Sportbundes. Zukünftig sollte die Toto-Zeitung Record mit Beilagewerken bestückt werden. Inhaltlich waren dafür die Herren Paul Grandjean (Montabaur) und Waldemar Frost (Miehlen) verantwortlich.
Organisatorisch stand der Verband bereits eine Woche später erstmals im Mittelpunkt. Im Rahmen der Deutschen Meisterschaft musste das Spiel um Platz drei im Koblenzer Stadion Oberwerth organisiert werden. 30.000 Zuschauer erlebten am Ende einen 2:1 Sieg nach Verlängerung des 1. FC Kaiserslautern gegen Kickers Offenbach – und eben auch eine gelungene Bewährungsprobe für den noch jungen Sportverband.
In den folgenden Monaten wurden weitere Weichen gestellt. So wurde Jakob Oden Anfang August als erster Verbandstrainer berufen. 450 DM betrug das Gehalt des angehenden Fußballlehrers. Eine gute Investition, denn nur drei Wochen nach Vertragsunterzeichnung gab es den ersten Auftritt einer Verbandsauswahl. Gegner war der Rheinbezirk Köln/Aachen. 4.000 Zuschauer erlebten den Sieg von Schüler gegen Lehrer –oder besser formuliert: Oden gegen Sepp Herberger. Denn der kommende „Bundestrainer“ saß am Oberwerth auf der Bank der Gäste. Und es konnte auch eine Örtlichkeit gefunden werden, wo geplante Verbandslehrgänge abgehalten werden sollen. Hier hatte man zuerst noch an eine zu errichtende Baracke am Oberwerth gedacht. Doch ein glücklicher Umstand ermöglichte ab dem 01. September die Anmietung des „Schweizer Hauses“, ein Gasthaus in unmittelbarer Stadionnähe, das bald als „Onkel Tom‘s Hütte“ bekannt wurde. Bereits vier Tage später stand der erste Lehrgang im FV Rheinland an. 24 Jugendliche aus der näheren Umgebung waren eingeladen und wurden in praktischen und theoretischen Übungen unterrichtet. Der Lehrgang war der Auftakt von wöchentlich angesetzten Terminen in „Onkel Tom‘s Hütte“. Rund 350 Nachwuchskicker wurden in diesem Zeitfenster durchgeschleust und geschult.
Bis zum ersten Verbandstag, der am 30. Juli 1950 im Koblenzer Stadttheater abgehalten werden konnte, gab es im vierzehntägigen Rhythmus Vorstandsitzungen. Themen wie Verbandschroniken, Ehrennadeln oder die endgültige Fassung der Verbandssatzung fanden genauso Beachtung wie die Anschaffung eines Verbandsfahrzeugs oder die Vorgehensweise bei Jugendspielen während der sonntäglichen Gottesdienstzeiten. Der FV Rheinland fing langsam an zu leben. Finanziell übrigens sehr gut: In einer Zwischenbilanz wurde zum Jahreswechsel ein Gewinn fast 33.000 DM festgehalten. Da konnte der junge Verband auch locker 16.000 DM genehmigen, um das Stadion in Trier auszubauen oder aber „Weihnachtsgeschenke“ an seine Klubs verteilen. So wurde jedem gemeldeten C-Jugendteam ein Ball überreicht. Bemerkenswert, da auch in dieser Zeit in vielen Bereichen noch Mangelwirtschaft herrschte. Dies merkte man allein an der Tatsache, dass dem FVR erst im März 1950 eine Schreibmaschine zugewiesen werden konnte. Kurz zuvor erhielt die Sportschule ihren ersten Kühlschrank: Für das Modell Frigidaire, die Herstellerfirma war eine Tochtergesellschaft der Opel AG in Rüsselsheim, musste der Verband im Februar 3.750 DM hinblättern.
Es waren halt schwierige Zeiten. Auch wenn es überall aufwärtsging. So fiel die Bilanz im Koblenzer Stadttheater dann auch fast durchweg positiv aus. Die Anzahl der fest angestellten Fußballlehrer war auf acht Personen angewachsen, rund 650.000 DM konnten an 300 Vereine verteilt werden. Trotzdem gelang es, noch 200.000 DM als Rücklage zur Sicherung der Jugendpflege abzuzweigen. Somit endete das erste „Lebensjahr“ des FV Rheinland einträchtig und harmonisch. Es sollten viele weitere folgen. Allesamt recht unterschiedlich im Jahresrückblick. Aber immer mit dem einen Ziel: den Fußballsport im Rheinland im Liebe und Leidenschaft auszuüben. Und dies soll auch in den künftigen Jahren so bleiben.