Vor 80 Jahren, am 27. Januar 1945, wurde das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau befreit. Jedes Jahr rund um diesen Tag gedenkt die Fußballfamilie an den Spiel- und Turniertagen der verfolgten, deportierten und ermordeten Menschen im Nationalsozialismus.
Überlebende kämpfen gegen das Verdrängen
Im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau wurden mehr als eine Million Menschen ermordet. Der Name Auschwitz steht heute unter anderem symbolisch für den Völkermord an den europäischen Jüdinnen und Juden sowie an den Roma und Sinti im Zweiten Weltkrieg. Nach Befreiung des Lagers durch die Rote Armee setzten sich Überlebende dafür ein, auf dem ehemaligen Gelände eine Gedenkstätte zu errichten. Ein Umstand, der auf alle ehemaligen Orte von Konzentrationslagern zutrifft: Dass es heute so viele größere oder kleinere Gedenkstätten gibt, war keine zwangsläufige Entwicklung nach 1945, sondern ein Ergebnis jahrelanger Kämpfe von Überlebenden, ihren Angehörigen und zivilgesellschaftlichen Initiativen – oft und lange gegen staatliche und gesellschaftliche Widerstände.
Die Anfänge im Fußball
Auch im Fußball gab es lange Zeit Widerstände, sich mit der nationalsozialistischen Vergangenheit auseinanderzusetzen. Stimmen von kritischen Historikern und Journalisten fanden wenig Gehör und Vereins- sowie Verbandsfunktionären wurden nicht müde, auf den „unpolitischen Sport“ zu verweisen. Ein Umdenken fand erst mit der Jahrtausendwende statt. So gab der Deutsche Fußball-Bund 2001 eine Studie zur Aufarbeitung der Verbandsgeschichte im Nationalsozialismus in Auftrag. Seit 2005 verleiht er einen Preis an Projekte, die sich gegen Diskriminierung einsetzen. Namensträger des Preises ist Julius Hirsch, der mehrfach Deutscher Meister wurde und im deutschen Nationalteam spielte, bevor er im März 1943 in das KZ Auschwitz deportiert und dort vermutlich direkt nach seiner Ankunft vergast wurde.
Heute wird Erinnerungsarbeit im Fußball auf vielfältige Art und Weise praktiziert. Hierhin führte unter anderem das unermüdliche Engagement von Fans und Faninitiativen, die immer wieder an die Geschichten von verfolgten Vereinsmitgliedern erinnert und so Druck auf die eigenen Vereine ausgeübt haben. So erinnert die Ultragruppe Schickeria München seit 2009 an den ehemaligen Vereinspräsidenten Bayern Münchens Kurt Landauer. Heute ist die Biografie weit über München hinaus bekannt und Teil der Imagepflege des Vereins. Kurt Landauer wurde verfolgt, weil er Jude war, floh kurz vor Beginn des Zweiten Weltkriegs in die Schweiz und konnte so überleben. Ob Ausstellungen über Vereine im Nationalsozialismus, Gedenkstätten-fahrten oder Recherche- und Bildungsprojekte – oft sind es Fans, Fanprojekte oder aus der Fanszene kommende Vereinsmitarbeiter gewesen, die hier den Anstoß gegeben haben.
Inspiriert von einer italienischen Kampagne, gründete sich 2004 die Initiative „!NieWieder“ und setzt sich seitdem für einen jährlichen „Erinnerungstag im deutschen Fußball“ rund um den 27. Januar ein. Das Netzwerk aus Fangruppen und -projekten, antirassistischen Bündnissen, Amateur- und Profivereinen, der DFL und dem DFB sowie zahlreichen Personen und Institutionen aus der Zivilgesellschaft und der politischen Bildungsarbeit möchte die Fußballfamilie jährlich dazu anregen, der verfolgten Mitglieder zu gedenken und alles dafür zu tun, „dass Auschwitz nie mehr sei!“.
Leerstellen in der Erinnerungsarbeit
Ein Gedenken rund um den 27. Januar ist bei vielen Proficlubs und etlichen Amateurvereinen mittlerweile fester Bestandteil eines Spieltags. Gleichzeitig bedeutet aktives Gedenken mehr als nur das Abdrucken dieses Textes oder das symbolische und oftmals ritualisierte Vorlesen der Namen von verfolgten Mitgliedern vor der Gedenktafel oder in der Stadiondurchsage. Es meint vielmehr eine beständige Auseinandersetzung mit Antisemitismus, Rassismus und anderen Diskriminierungsformen bis heute. Auch weil nur noch sehr vereinzelt Zeitzeugen von ihren Erfahrungen berichten können, liegt es an uns, deren Geschichten weiterzuerzählen und ihre Wünsche sowie die ihrer Angehörigenanzuhören und ernst zu nehmen.
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